Überstunden: Wann sie rechtens sind und wie du sie handhabst
Kennst du diese Situation auch? Draußen ist es schon längst dunkel und du sitzt noch immer im Büro. Du schaust auf die Uhr und stellst fest, dass du schon wieder zehn Stunden gearbeitet hast. Es ist nicht das erste Mal, dass du Überstunden machst, weil du für ein Teammitglied oder dein*e Chef*in noch „schnell etwas erledigen musstest“.
Laut einer Untersuchung des Gehaltsdienstleisters Compensation Partner aus dem Jahr 2019 arbeiten über die Hälfte (54%) der Deutschen Arbeitnehmer*innen mehr als sie vertraglich oder tarifrechtlich müssten. Im Durchschnitt kommen Beschäftigte auf 3,03 Überstunden in der Woche, wobei Fachkräfte auf 2,7 Stunden und Führungskräfte auf 7,8 Stunden kommen. Auf das Jahr hochgerechnet ergibt das zwischen 192 und 471 Plusstunden. Je höher die Position oder das Gehalt einer Person, desto mehr arbeitet sie. Und am Ende wird im Durchschnitt nur die Hälfte aller Überstunden ausgezahlt. Ist das überhaupt rechtens?
- Was sind Überstunden?
- Wie viele sind erlaubt?
- Darf dein*e Chef*in Überstunden anordnen?
- Was müssen Azubis oder schwangere Frauen beachten?
- Wann muss ich Überstunden machen?
- Müssen Überstunden bezahlt werden?
- Rechtslage für Teilzeitbeschäftigte
- Rechtslage für Selbstständige
- Überblick, was du alles beachten solltest
Was sind Überstunden?
Rechtlich gesehen sind Überstunden die Überschreitung der vertraglich oder tariflich geregelten Arbeitszeit, die eine arbeitnehmende Person mit ihrer Arbeitsstelle schriftlich vereinbart hat. Die vertraglich geregelte Arbeitszeit ergibt sich entweder aus dem Arbeitsvertrag oder aus tarifrechtlichen Vereinbarungen (z.B. Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung).
Beispiel: Deine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt laut Arbeitsvertrag 40 Stunden pro Woche. Wenn du in einer Woche 45 Stunden arbeitest, hast du 5 Überstunden geleistet. |
Wie viele Plusstunden sind erlaubt und was ist Mehrarbeit?
Wie viele Überstunden konkret erlaubt sind, ist gesetzlich nicht festgelegt. Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) regelt nur, wie viel Arbeitnehmer*innen grundsätzlich arbeiten dürfen.
Laut ArbZG darf deine werktägliche Arbeitszeit 8 Stunden nicht überschreiten. Da das Arbeitszeitgesetz von sechs Werktagen pro Woche ausgeht (von Montag bis Samstag), ergibt das eine wöchentliche Arbeitszeit von maximal 48 Stunden. Alles, was darüber hinaus geht, gilt als Mehrarbeit.
Mehrarbeit im arbeitsrechtlichen Sinne beschreibt die Arbeitszeit, die über die gesetzliche oder tarifliche Höchstarbeitszeit von 8 Stunden pro Werktag hinausgeht. Denn unter bestimmten Voraussetzungen darf deine werktägliche Arbeitszeit vorübergehend auf 10 Stunden und somit auf 60 Stunden pro Woche angehoben werden. Entscheidend ist jedoch, dass diese Mehrarbeit so ausgeglichen wird, dass deine durchschnittliche Wochenarbeitszeit innerhalb von 6 Monaten (bzw. 24 Wochen) 8 Stunden pro Werktag nicht überschreitet.
Rechenbeispiel: In deinem Arbeitsvertrag steht, dass du 40 Stunden in einer Fünftagewoche arbeitest. Über Monate hinweg arbeitest du von Montag bis Donnerstag jeweils 10 Stunden und am Freitag 8 Stunden. Insgesamt ergibt das eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden. Du leistest also 8 Überstunden pro Woche, aber keine Mehrarbeit. Denn berechnet auf eine Sechstagewoche hat deine durchschnittliche werktägliche Arbeitszeit die arbeitszeitrechtlich festgelegte Höchstgrenze von 8 Stunden pro Arbeitstag nicht überschritten. |
Prinzipiell sind also arbeitszeitrechtlich bei einer vertraglich geregelten 40-Stunden-Woche bis zu 8 Überstunden pro Woche möglich. Alles, was darüber hinaus geht, gilt als Mehrarbeit und muss innerhalb von 24 Wochen so ausgeglichen werden, dass die durchschnittliche Arbeitszeit 8 Stunden pro Werktag nicht überschreitet.
Dürfen Vorgesetzte Überstunden einseitig anordnen?
Ohne ausdrückliche Regelung in deinem Arbeitsvertrag bist du als arbeitnehmende Person nicht verpflichtet, Überstunden zu leisten. Dein Arbeitsvertrag regelt, in welchem zeitlichen Umfang du als Arbeitnehmer*in deine Arbeitsleistung erbringen musst. Mit dem Direktionsrecht können Arbeitgeber*innen lediglich die Lage der Arbeitszeit (Beginn, Ende, Pausen, Einführen von Gleitzeit) bestimmen, wenn sie im Arbeitsvertrag nicht eindeutig geregelt ist.
Nur in unvorhergesehenen Notfallsituationen kann dir dein*e Vorgesetzte*r einseitig anordnen, mehr zu arbeiten. Als Notsituation gilt jedoch nicht ein plötzlicher Großauftrag, sondern beispielsweise eine Katastrophe wie ein Brand oder eine Überschwemmung. Solche Ereignisse können Arbeitgeber*innen nicht vorhersehen und sie können zudem die Existenz eines Betriebs gefährden.
Wenn du einseitig angeordnete Überstunden leistest, lass sie dir unbedingt schriftlich von deinem/r Chef*in bestätigen. So bist du auf der sicheren Seite, wenn du diese geltend machen möchtest.
Besondere Rechtslage für Azubis und Frauen im Mutterschutz
Ob Auszubildende Überstunden machen dürfen, hängt von ihrem Alter ab. Für volljährige Azubis gelten die normalen Regelungen, die im Arbeitszeitgesetz stehen. Für Minderjährige gilt das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG).
Rein rechtlich gesehen dürfen minderjährige Arbeitnehmer*innen nur unter ganz bestimmten Bedingungen Plusstunden leisten, zum Beispiel wenn keine anderen volljährigen Beschäftigten verfügbar sind. Es ist jedoch zwingend erforderlich, dass die minderjährigen Arbeitnehmer*innen für die geleistete Mehrarbeit innerhalb von 3 Wochen einen Freizeitausgleich erhalten.
Für schwangere oder stillende Frauen gilt das Mutterschutzgesetz (MuSchG). Nach diesem Gesetz dürfen Arbeitgeber*innen volljährige schwangere oder stillende Frauen nicht länger als achteinhalb Stunden täglich oder mehr als 90 Stunden in einer Doppelwoche beschäftigen. Bei minderjährigen schwangeren oder stillenden Frauen verringert sich diese Zeit auf acht Stunden täglich oder 80 Stunden in der Doppelwoche. Sonntage werden in die Doppelwoche mit eingerechnet. Überstunden sind grundsätzlich nicht erlaubt. Die tatsächliche Arbeitszeit darf die vertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt des Monats nicht überschreiten.
Wann bin ich verpflichtet, Überstunden zu machen?
Abgesehen von absoluten Notsituationen gibt es weitere Umstände, in denen Überstunden rechtens sind.
Einzelvereinbarung | Du kannst dich im Einzelfall mit deiner Arbeitsstelle formlos einigen, dass du länger arbeitest. In diesem Fall sind die Überstunden nicht einseitig angeordnet. Solch eine Einigung kann mündlich oder stillschweigend getroffen werden. |
Tarifvertrag | Tarifverträge enthalten oftmals Regelungen darüber, wann und in welchem Ausmaß Arbeitgeber*innen ihre Arbeitnehmer*innen zu Überstunden verpflichten dürfen. Überstunden liegen in diesem Fall für gewöhnlich vor, wenn zusätzliche Arbeit nicht bis zum Ende der folgenden Woche ausgeglichen wird. Der Tarifvertrag regelt weiter, ob es einen Überstundenzuschlag gibt und wie hoch dieser ist. |
Betriebsvereinbarung | Nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht beim Thema Überstunden. Wenn es in deiner Arbeitsstelle also eine Betriebsvereinbarung gibt, die regelt, unter welchen Umständen Arbeitgeber*innen Überstunden verlangen dürfen, sind diese zulässig. |
Arbeitsvertrag | Arbeitsverträge können eine Überstundenklausel enthalten, die Arbeitgeber*innen dazu berechtigt, einseitig nach Ermessen Überstunden anzuordnen. Damit eine solche Klausel wirksam ist, muss sie genau beschreiben, wie viele Überstunden du im Höchstfall leisten musst. Außerdem sollte sie Informationen zur Vergütung enthalten. Ist eine bestimmte Anzahl an Überstunden automatisch mit deinem Gehalt abgegolten? Bekommst du sie zusätzlich vergütet? Oder bummelst du sie per Freizeitausgleich ab? Wenn dein Arbeitsvertrag eine einzelvertragliche Überstundenklausel beinhaltet, empfehlen wir dir, diese von einer entsprechenden Fachperson rechtlich überprüfen zu lassen. |
Müssen Überstunden bezahlt werden?
Es gibt keine allgemeine rechtliche Regelung im Arbeitszeitgesetz, ob und in welcher Höhe Überstunden vergütet werden müssen. Wenn Überstunden in deinem Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder deiner Betriebsvereinbarung geregelt sind, steht dort in der Regel, ob und wie sie vergütet werden oder ob es einen Freizeitausgleich gibt.
Wenn es in deinem Arbeitsvertrag keine Regelung hierzu gibt und du mit einem Freizeitausgleich (Abbummeln) nicht einverstanden bist, dann darfst du theoretisch nicht dazu gezwungen werden. Arbeitnehmer*innen haben einen rechtlichen Anspruch auf Beschäftigung, weswegen eine einseitige Freistellung durch den oder die Arbeitgeber*in im Regelfall nicht zulässig ist. In einem solchen Fall müssten dir die Überstunden bezahlt werden.
Rechtslage für Teilzeitbeschäftigte
Prinzipiell dürfen Arbeitgeber*innen auch Teilzeitbeschäftigte nicht einseitig zu Überstunden verpflichten, wenn es keine konkreten vertraglichen Vereinbarungen gibt. Wie bei Vollzeitbeschäftigten ist auch bei Teilzeitbeschäftigten in besonderen Notfällen die Anordnung von Überstunden zulässig.
Bitte beachte, dass es für Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen unterschiedliche Regelungen geben kann. Arbeitsverträge, Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge können selbst für Aushilfsjobs, Nebenjobs und Studentenjobs Überstundenklauseln enthalten. Ist dies nicht der Fall, musst du prinzipiell keine Überstunden leisten.
Deine Arbeitsstelle muss deine Überstunden als Aushilfe oder Student*in nur bezahlen, wenn sie sie angeordnet oder gebilligt hat. Das heißt, dass deine Überstunden bei Teilzeit auch dann bezahlt werden müssen, wenn dein*e Arbeitgeber*in diese zwar nicht angeordnet, aber trotz Kenntnisnahme auch nicht unterbunden hat. Auf Überstundenzuschläge haben Teilzeitbeschäftigte grundsätzlich nur einen Anspruch, wenn sie vertraglich festgehalten sind. Ansonsten kommen sie erst in Frage, wenn deine Arbeitsdauer die von Vollzeitbeschäftigten überschreitet.
Bei regelmäßigen Überstunden gibt es eine weitere Besonderheit für Teilzeitbeschäftigte. Wenn ein*e Arbeitgeber*in eine Teilzeitkraft regelmäßig anweist, mehr als die im im Arbeitsvertrag festgelegte Arbeitszeit zu leisten, kann aus der Teilzeitstelle ohne ausdrückliche Vertragsänderung eine Vollzeitstelle werden. Aus den Teilzeitüberstunden wird so eine Vollzeitbeschäftigung.
Plusstunden für Selbstständige: Geht das?
Anders als bei Arbeitnehmenden gibt es laut dem Arbeitszeitgesetz für Selbständige keine maximalen Arbeitsstunden. Überstunden gehören für Selbstständige oft zum Arbeitsalltag. Gerade zu Beginn lässt sich die Mehrarbeit nicht verhindern, dennoch ist es wichtig, die Arbeitszeiten so einzuteilen, dass die Effizienz bestehen bleibt.
Alle wichtigsten Infos auf einem Blick:
- Überstunden dürfen nur einseitig angeordnet werden, wenn es in deinem Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung bestimmte Regelungen gibt oder in Notfällen.
- Wenn in deinem Vertrag nicht ausdrücklich festgelegt ist, dass eine gewisse Anzahl an Überstunden mit deinem Gehalt abgegolten ist oder durch Freizeit ausgeglichen wird, hast du grundsätzlich Anspruch auf ihre Vergütung.
- Nach dem Arbeitszeitgesetz darf deine durchschnittliche Arbeitszeit innerhalb von 6 Monaten höchstens 48 Stunden pro Woche (Montag bis Samstag) betragen.
- Erfasse all deine Überstunden. Wenn sie einseitig verordnet wurden, lass dir eine schriftliche Bestätigung von deiner Arbeitsstelle geben.
Wer zu viel arbeitet, der spürt meist mehr Stress und Anspannung im Alltag. Dies kann auf Dauer zu gesundheitlichen Problemen führen. In unserem Guide haben wir ein paar Tipps zusammengetragen, die dabei helfen, Stress auf Arbeit zu reduzieren.
Quelle: Arbeitszeitgesetz, Mutterschutzgesetz, Jugendarbeitsschutzgesetz